6. Teil: Entwicklung von Digitalisierungsszenarien

6. Teil: Entwicklung von Digitalisierungsszenarien

Der Beitrag fasst die Ergebnisse aus den bisher vorgestellten Digitalisierungsszenarien zusammen und ordnet sie in den weiteren Verlauf zur Einführung eines neuen Geschäftsmodells ein.

Es handelt sich um den letzten Beitrag der Blog-Reihe Entwicklung von Digitalisierungsszenarien am Beispiel der Geschäftsmodell-Idee „Digitaler Glascontainer“.

Inhalte des Beitrags

  • Hintergrund
  • Schlüsse aus der Analyse
  • Erkenntnisse zur hybriden Geschäftsmodell-Idee
  • Umsetzungsmöglichkeiten und Kooperationen im Unternehmen
  • Analogien zu anderen Anwendungsfeldern
  • Fragestellungen, die die Geschäftsmodell-Idee aufwirft
  • Die Arbeitsgestaltung in hybriden Geschäftsmodellen
  • Wie geht es weiter im Projekt AnGeWaNt?

 

Hintergrund

Die Erstellung von Digitalisierungsszenarien bildet die Brücke zwischen der ausgearbeiteten Idee des neuen hybriden Geschäftsmodells und den ersten Schritten hin zu dessen Implementierung. Die Szenarien skizzieren dabei unterschiedliche Ausbaustufen des Geschäftsmodells und legen die jeweiligen Strukturen offen. Weitere Informationen zum Vorgehen enthält die Einführung.

Dieser Beitrag zieht ein Fazit aus der Darstellung der sieben Digitalisierungsszenarien und zeigt exemplarisch auf, welche Schlüsse sich aus den gewonnenen Erkenntnissen für die nun folgenden Schritte zur Einführung eines hybriden Geschäftsmodells ziehen lassen. Zudem wird ein Ausblick auf das weitere Vorgehen in AnGeWaNt gegeben.

Schlüsse aus der Analyse

Die Analyse der Digitalisierungsszenarien liefert wichtige Erkenntnisse für das geplante Geschäftsmodell. Dies schließt die folgenden Fragen ein:

  • In welchem Umfang ist die Geschäftsmodell-Idee bereits etabliert? In wie weit reichen Pilotanwendungen an das Vorhaben heran?
  • Welche Möglichkeiten der Umsetzung bestehen im Unternehmen? Wann und wie sind Kooperationen mit Partnern nötig?
  • Bestehen Analogien zu anderen Anwendungsfeldern jenseits des Beispiels für das eigene Unternehmen / die eigene Fragestellung?
  • Welche rechtlichen, technischen und organisatorischen Fragestellungen müssen mitgedacht werden?

Dies wird im Folgenden anhand der Geschäftsmodell-Idee „Digitaler Glascontainer“ exemplarisch dargestellt. Kern der Idee ist es, mit IT-Unterstützung eine kosten- und ressourcenschonendere Abholung von Altglas zu ermöglichen. Dabei sollen auf Basis der Füllstände der Glascontainer und der Auslastung der Entsorgungsfahrzeuge der optimale Zeitpunkt der Entleerung und die optimale Route der Entsorgungsfahrzeuge ermittelt werden.

Erkenntnisse zur hybriden Geschäftsmodell-Idee

Die Marktanalyse des Status Quo (Beitrag 2) zeigt einen großen Bedarf an einer Optimierung der kommunalen Altglas-Entsorgung. Die Betrachtung der Pilotanwendungen (Beitrag 3) belegt zudem, dass in einigen Städten bereits Projekte gestartet sind, die mit Hilfe von Sensorik und IT eine effizientere Entsorgung anstreben. Die bisherigen Vorhaben decken jedoch nur Teilbereiche des angedachten Geschäftsmodells ab und sind noch weit von einer Lösung entfernt, die die optimale Zeit und Route der Entleerung vorgibt (Beitrag 4).

Eine Weiterentwicklung der Geschäftsmodell-Idee durch den Einsatz von geeichten Waagen (Beitrag 5) wäre eine echte Neuheit, die völlig neue Geschäftsfelder eröffnen würde. So könnte das genaue Gewicht des abgeholten Glases ermittelt und automatisch in Rechnung gestellt werden. Dies wäre sicher auch für andere Bereiche der Entsorgung ein interessanter Service.

Umsetzungsmöglichkeiten und Kooperationen im Unternehmen

Die Frage nach den Möglichkeiten der Umsetzung im Unternehmen lässt sich nicht pauschal beantworten. Daher beziehen sich die weiteren Ausführungen auf ein imaginäres Unternehmen, das Container und Entsorgungsfahrzeuge herstellt und in den letzten Jahren Expertise im Bereich Sensorik aufgebaut hat. Ferner wird zugrunde gelegt, dass es bereits heute serienmäßig Produkte mit Sensoren und Sensorik ausstattet. Dabei schaut die Entwicklungsabteilung beständig, welche Innovationen auf dem Markt kommen und wie die Produkte weiterentwickelt werden könnten. Digitalisierungsszenario 3, in dem Container und Fahrzeuge mit Sensorik ausgestattet sind, könnte das Unternehmen daher ohne externe Unterstützung realisieren.

In Digitalisierungsszenario 4 kommt hingegen eine Umrechnungssoftware zum Einsatz. Diese rechnet das von den Sensoren gemeldete Volumen in Gewicht um und gibt Handlungsempfehlungen, wann für welchen Container welche Kapazität (in Gewicht) am Fahrzeug vorhanden sein muss. Entsprechend sind zur Programmierung und Einrichtung dieser Anwendung weitreichende IT-Kenntnisse von Nöten. Sofern das Unternehmen dieses Wissen nicht selbst aufbauen kann oder will, müssen diese Aufgaben von einem IT-Unternehmen übernommen werden. Für die Schaffung einer langfristigen Partnerschaft würde sprechen, dass das Unternehmen einen kompetenten Partner an sich bindet. Zukünftig könnten sie gemeinsam die strategische Weiterentwicklung der IT-Lösung angehen.

Um eine genaue Gewichtsermittlung zu ermöglichen, müssten des Weiteren Waagen an den Containern oder Fahrzeugen eingebaut werden. Dies setzt eine weitere Kooperation voraus – nämlich mit einem Unternehmen, das Waagen beispielsweise für Entsorgungsfahrzeuge herstellt. Zur Etablierung einer Abrechnungsfunktion bräuchte man zudem einen Kooperationspartner, der geeichte Waagen im Angebot hat. Für die Erweiterung der IT-Lösung müsste wieder auf das IT-Unternehmen zurückgegriffen werden.

Somit steigt mit dem Digitalisierungsgrad des Geschäftsmodells der Bedarf an spezifischer Expertise. Durch die intensive Betrachtung der verschiedenen Digitalisierungsszenarien wird ersichtlich, wann sich ein Unternehmen auf neues Terrain begibt. Ob das Unternehmen dieses Wissen selbst aufbaut oder Kooperationen schließt, ist eine strategische Entscheidung, die auf höchster Ebene getroffen werden muss. Auch ist es letztlich die Entscheidung der Geschäftsführung, wie die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen geregelt wird. Generell ist es wichtig, bei der Entwicklung von hybriden Geschäftsmodellen die Geschäftsführung in die Planungen einzubeziehen und regelmäßig ihre Rückendeckung einzuholen. Dabei sollte auch im Blick behalten werden, ob das Vorhaben in Einklang mit der Unternehmensstrategie steht. Kritische Punkte und Widersprüche sollten offen mit den Verantwortlichen besprochen werden.

Analogien zu anderen Anwendungsfeldern

Um zu prüfen, ob Analogien zu anderen Anwendungsfeldern für das eigene Unternehmen oder die eigene Fragestellung bestehen, bedient man sich folgender Vorgehensweise: Zunächst wählt man ein bestimmtes Merkmal oder einen bestimmten Bereich der Gesamtanwendung aus „Glascontainer“ (z. B. Entsorgung oder Gewicht / Waage). Dann wird zusammengetragen, in welchen Bereichen bzw. Anwendungen (zunächst einmal ohne einen bestimmten Bezug) diese jeweiligen Merkmale ebenfalls zu finden sind oder eine relevante Rolle spielen. In Anschluss wird an jeden gefundenen Anwendungsfall „die Frage gestellt“, ob die im Glascontainerbeispiel aufgezeigten Lösungen und Potenziale auch für die identifizierten Anwendungen einen Mehrwert bieten (können). Identifizierte Möglichkeiten werden dann im Hinblick auf den einzelnen Anwendungsfall konkretisiert.

Fragestellungen, die die Geschäftsmodell-Idee aufwirft

Zunächst können technische Fragestellungen sehr gut an den Digitalisierungsszenarien festgemacht werden. So kann an ihnen abgeleitet werden, wo die Herausforderungen liegen und welche Abhängigkeiten zwischen den Szenarien bestehen. Es ist empfehlenswert, die technische Machbarkeit vom Status Quo aufsteigend zum höchsten Digitalisierungsgrad zu untersuchen. Sollte sich dabei herausstellen, dass ein bestimmter Aspekt technisch nicht umsetzbar ist, bedeutet dies nämlich, dass das Geschäftsmodell ab diesem Punkt nicht wie geplant realisiert werden kann. Eine Betrachtung des nächsten Digitalisierungsszenarios ist folglich erst dann sinnvoll, wenn eine Alternative gefunden wurde. Abgesehen davon eignen sich die Bildmodelle gut dazu, Außenstehenden die technischen Details der Geschäftsmodell-Idee zu erläutern.

Weiter werden häufig rechtliche Aspekte bei der Ausarbeitung der einzelnen Szenarien sichtbar. So wurde bereits in Beitrag 5 kurz angerissen, dass eine Inrechnungstellung von Gewicht in Deutschland nur mit geeichten Waagen Gültigkeit besitzt. Hier sind die Vorgaben des Mess- und Eichgesetzes zu beachten. Während es sich hierbei uns ein sehr spezifisches Anliegen handelte, ist die Klärung von Fragen zu Datenschutz und Datensicherheit für die meisten hybriden Geschäftsmodelle von höchster Bedeutung. Geklärt werden muss, ob und wie die Daten erhoben, gespeichert und verarbeitet werden dürfen. Dies wird umso relevanter, wenn Daten in der Geschäftsmodell-Idee eine Rolle spielen, die zum Beispiel von Maschinen anderer Unternehmen stammen. Auch muss eine Weitergabe der Daten an Dritte rechtlich genauestens geprüft werden. Dies gilt besonders, wenn das Geschäftsmodell den Verkauf der Daten beinhaltet. Kritisch ist allgemein die Erhebung von Daten, die Rückschlüsse über Mitarbeitende und ihre Arbeitsleistung erlauben. Hier müssen die Bestimmungen des Arbeitsrechts beachtet werden. Auch hier kann anhand der Digitalisierungsszenarien ermittelt werden, wann welche Daten erfasst und wie sie genutzt werden.

Nicht vergessen werden dürfen die Auswirkungen des neuen hybriden Geschäftsmodells auf die Strukturen des Unternehmens. So steht ein neues Geschäftsmodell niemals im luftleeren Raum, sondern hat Konsequenzen für die Arbeit im Unternehmen und die Kooperationen mit anderen Firmen. Dies gilt im Besonderen für solche hybriden Geschäftsmodelle, die weitreichende Neuerungen im Bereich Digitalisierung und IT hervorrufen. Für einen Mitarbeitenden im Service unseres imaginären Unternehmens heiße dies beispielsweise, dass er oder sie neben technischen Aspekten zu Containern und Fahrzeugen nun auch über Software-Kenntnisse verfügen müsste. Sollten zwei oder mehrere Unternehmen einen IT-Service zusammen anbieten oder eine gemeinsame Plattform betreiben wollen, führt dies darüber hinaus zu weiteren gravierenden Auswirkungen auf die Arbeitsweise des Unternehmens.

Die Arbeitsgestaltung in hybriden Geschäftsmodellen

Der vorangegangene Abschnitt hat angerissen, wie vielschichtig die Veränderungen durch ein neues Geschäftsmodell sein können. Im Hinblick auf die Arbeit im Unternehmen kommen auf die Mitarbeitenden mit einer hohen Wahrscheinlichkeit Aufgaben zu, mit denen sie bislang noch keine Berührung hatten. Der neue Qualifizierungsdarf muss frühzeitig ermittelt und durch entsprechende Schulungskonzepte gedeckt werden. Es ist ebenfalls wahrscheinlich, dass die neue hybride Dienstleistung eine agilere Unternehmenskultur voraussetzt. Daher muss frühzeitig geschaut werden, wie die Führungskultur und die Zusammenarbeit zukünftig geregelt werden müssen. Die beiden Faktoren dürfen keinesfalls vernachlässigt werden, da an ihnen zu einem großen Teil die erfolgreiche Umsetzung des Geschäftsmodells hängt.

Das Projekt AnGeWaNt legt aus den obengenannten Gründen einen Schwerpunkt auf die Themen Führung, Zusammenarbeit und Qualifizierung. In den nächsten Monaten werden die Projektergebnisse aus diesen Arbeitspaketen auf unserer Webseite veröffentlicht. Dies umfasst unter anderen Anleitungen und Leitfäden, um dies im eigenen Unternehmen anzuwenden.

Wenn Sie über den aktuellen Stand zum Projekt – wie die Veröffentlichung von Projektergebnissen und unsere Veranstaltungen in 2021 – informiert werden möchten, schreiben Sie uns bitte eine Nachricht über das Kontaktformular.

Wie geht es weiter im Projekt AnGeWaNt?

Ausgehend von den hier vorgestellten Ergebnissen, werden mit den betrieblichen Projektpartnern jeweils anhand der erarbeiteten Szenarien organisationale Strukturen ermittelt, die eine Umsetzung mit dem Fokus der Nutzung der betrieblichen Produkte und Dienstleistungen zum Ziel haben. Dabei werden nicht alle Szenarien mit allen betrieblichen Konstellationen gleichermaßen Berücksichtigung finden (können). Wichtig ist ein genauer Blick auf die Flexibilisierungspotenziale und -notwendigkeiten auf betrieblicher und individueller Ebene. Besonders die zeitliche, räumliche und inhaltliche Flexibilität bei Unternehmen und Beschäftigten gilt es zu analysieren und diese mit der Integration der betriebsspezifischen Produkte und Dienstleistungen zu verbinden. Dazu werden erstens die notwendigen Informationsbedarfe erhoben und die erforderlichen Informationsflüsse modelliert sowie geprüft.

Zweitens werden für die Szenarien — basierend auf den modellierten Informationsflüssen — in einem partizipativen Prozess, idealtypische organisationale Strukturen ermittelt, die die Nutzung der Flexibilisierungspotenziale ermöglichen.

In einem dritten Schritt erfolgt die Konkretisierung der Organisationsstrukturen, indem die Anforderungen und Bedarfe in einzelne Arbeitsschritte übersetzt werden, die wiederum die Parameter (Inhalt, Ort und Zeit) gezielt berücksichtigen.

Der vierte Schritt thematisiert die Umsetzungs- und Praktikabilitätsmöglichkeiten jenseits der betrieblichen Einflussnahme. So werden primär das digitale Eich- und Messwesen beziehungsweise die dortigen Abläufe auf eine Kompatibilität und Verbindung zu den erarbeiteten Szenarien und die sich dort ergebenden Herausforderungen untersucht und bewertet.

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